Die schmerzlose Gefahr im Mund
Parodontitis – die unbemerkte Volkskrankheit: Laut der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) sind Millionen Menschen betroffen, doch viele wissen es gar nicht. Und genau das macht sie so gefährlich. Denn die Entzündung des Zahnhalteapparates begünstigt Schlaganfälle, rheumatische Erkrankungen, Herzinfarkte und Diabetes – und sie ist ein Risikofaktor für schwere Verläufe bei COVID-19.
Wie kann es sein, dass so viele Menschen eine Parodontitis haben, ohne es zu wissen?
„Aber ich habe doch gar keine Schmer zen“: Das ist die häufigste Reaktion von Patienten, wenn wir zum Beispiel bei der Prophylaxe in Essen feststellen, dass bei ihnen eine Parodontitis vorliegt. Und genau hier liegt auch der Grund, warum die Erkrankung oft so lange unentdeckt bleibt: Die Parodontitis wird auch deshalb als stille Infektion bezeichnet, weil sie in der Regel lange schmerzfrei verläuft. Das Tückische ist, dass auch die Vorstufe – die Zahnfleischentzündung oder Gingivitis – zunächst oberflächlich abläuft und keinen Schmerzreiz auslöst. Darum merken die meisten Patienten auch nicht, dass sie bereits mit einer tickenden Zeitbombe im Mund herumlaufen.
Gibt es denn keine Warnzeichen, die auf eine Zahnfleischentzündung hinweisen?
Eindeutige Anzeichen sind Schwellungen des Zahnfleisches, Mundgeruch und leichtes Zahnfleischbluten – wenn sich die Zahnbürste beim Putzen aber schon regelmäßig rot verfärbt, ist die Entzündung meist fortgeschritten und hat sich zu einer handfesten Parodontitis ausgeweitet.
Welche Auswirkungen hat das?
Wenn wir jetzt nicht schnell handeln, baut sich der Kieferknochen immer weiter ab – am Ende lockern sich die Zähne und fallen im schlimmsten Fall aus. Tatsache ist, dass heute mehr Menschen Zähne durch Parodontitis als durch Karies verlieren. Außerdem ist die allgemeine Gesundheit in Gefahr – nur mal so zum Vergleich: Bei einer fortgeschrittenen Entzündung am Zahnbett entspricht die Wundfläche im Mund in etwa der Größe eines Handtellers. Von dort aus gelangen die entzündungsverursachenden Bakterien in den Blutkreislauf und verteilen sich im Körper – und können bleibende Schäden anrichten: Parodontitis erhöht nachweislich das Risiko für Schlaganfälle, rheumatische Erkrankungen, Herzinfarkte oder auch Diabetes.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie ist die Parodontitis auch ein Risikofaktor für schwere Verläufe bei COVID-19.
Das stimmt. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Covid19-Patienten mit einer Parodontitis deutlich häufiger intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden müssen als Patienten ohne Parodontitis. Darum ist es wichtig, der parodontalen Gesundheit große Aufmerksamkeit zu schenken, um das Risiko zu minimieren.
Wenn Sie erkennen, dass sich eine Parodontitis entwickelt hat – wie behandeln Sie diese dann?
Leider lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen: Denn im Gegensatz zu einer Zahnfleischentzündung ist eine Parodontitis nicht heilbar – durch eine gezielte Therapie können wir die chronische Entzündung des Zahnhalteapparates aber anhalten. In der Regel bekommen wir sie mit der geschlossenen Parodontitisbehandlung in den Griff – nur in sehr fortgeschrittenen Fällen müssen wir die entzündungsverursachenden Beläge in einer kleinen Operation entfernen, um die Erkrankung zu stoppen.